© 2012 Reiner Wandler

"Wir können Gesetze ändern, wie wir wollen, das wird nichts bringen."

Paloma López (50), Sekretärin für Beschäftigungs- und Migrationspolitik im Hauptvorstand von Comisiones Obreras (CCOO), zur Arbeitsmarktreform und Sparpolitik der konservativen Regierung von Mariano Rajoy.


Wieso riefen die Gewerkschaften in einer so schwierigen Lage zu einem Generalstreik gegen ein Gesetz, das Arbeitsplätze schaffen soll?
Das Problem ist nicht die Arbeitsmarktgesetzgebung sondern das fehlende Wachstum und die mangelnde wirtschaftliche Aktivität. Wir können in Spanien so viele Gesetze ändern, wie wir wollen, das wird nichts bringen, solange die Wirtschaft nicht angekurbelt wird. Die Regierung macht das genaue Gegenteil.

Wie ist das zu verstehen?
Die einseitige Politik der Haushaltskonsolidierung betrifft vor allem Arbeiter und Arbeiterinnen und die Mittelschicht. Es werden Sozialausgaben gekürzt, Rechte zusammengestrichen, Steuern zu Lasten der niedrigen und mittleren Einkommen erhöht. Die Reformen des Finanzmarktes haben keinerlei Wirkung. Es ist unmöglich einen Kredit zu bekommen. Zusammen mit der Arbeitsmarktreform wird dies laut Regierungschef Mariano Rajoy alleine in 2012 weitere 350.000 Arbeitsplätze kosten.

Rajoy sagt aber auch, dass die Arbeitsmarktreform mittelfristig Arbeitsplätze schaffen wird.
Als Spaniens Wirtschaft mehr als zwei Prozent im Jahr wuchs und Millionen Arbeitsplätze entstanden, war das alte Gesetz in Kraft. Und mit der gleichen Rechtslage liegt heute die Arbeitslosigkeit im nordspanischen Baskenland bei 14 Prozent während es im Landesschnitt 25 und in einigen Regionen sogar über 30 Prozent sind. Der Grund dafür ist ganz sicher nicht die Gesetzeslage.

Hat Spanien ein Produktivitätsproblem?
Die Produktivität in Spanien ist aufgrund des Wirtschaftsmodells niedriger als in anderen europäischen Ländern. Es mag absurd klingen, aber nach der Zerstörung von Millionen Arbeitsplätzen ist die Produktivität gestiegen. Nicht weil wir etwa mehr arbeiten, sondern weil die produktiven Bereiche überlebt haben und die wenig produktiven, allen voran die Bauwirtschaft, nicht. Wir hatten ein rein spekulatives Wachstum.

Hat die Immobilienbranche Geld an sich gezogen, das anderswo besser investiert worden wäre?
Das ganze Wachstum hing an der Bauwirtschaft und damit an der wachsenden Immobilienblase. Wir brauchen ein neues Produktivitäsmodell. Wäre all das Geld in Bildung, Forschung und die Entwicklung starke Bereiche investiert worden, in denen wir mit führend sind, wie die Industrie Erneuerbarer Energien, Biotechnologie oder Lebensmittelverarbeitung, hätten wir heute weniger Probleme.

Spanien als ganzes ist nicht unter dem Rettungsschirm. Aber die Politik unterscheidet sich kaum von der in Portugal oder Griechenland.
Rajoy hätte selbst in einer entspannteren wirtschaftlichen Situation die gleiche Politik gemacht. Es geht ihm um Ideologie. Die Regierung will einen schwachen Staat, in dem alles privatisiert ist und der nur ganz wenig regulierend eingreift.

Spaniens Boom galt den Konservativen in Europa – auch Angela Merkel – als Modell für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Wie kann das sein?
Alle schauten nur auf das schnelle Wachstum und übersahen die strukturellen Probleme. Spanien hat immer wieder Zyklen in ausserordentlichen Wachstums. Sie gehen immer mit Bauspekulation einher und enden immer in einer Krise. Dieses Mal hat es uns durch die internationale Lage besonders hart getroffen. Hinzu kommt eine Währung, die Spanien nicht selbst kontrolliert. In der Vergangenheit wurde in Krisenzeiten einfach die Pesete abgewertet.

Das geht mit dem Euro nicht mehr. Was wäre die Alternative?
Die Europäische Zentralbank hätte am Anfang spanische Staatsanleihen kaufen müssen, um etwas Zeit zu verschaffen. Aber wir brauchen vor allem eine radikal andere Finanz- und Steuerpolitik. Alle Regierungen ob links oder rechts haben Steuern gesenkt. Doch Steuern sind notwendig, um den Staat aufrechtzuerhalten. Es geht nicht um die Steuern, sondern darum, was für einen Staat wir wollen.

Was bisher geschah: