© 2012 Reiner Wandler

Hoher Besuch

Spanien kennt dieser Tage nur ein Thema: „Merkel kommt!“ Die deutsche Bundeskanzlerin wird am Donnerstag zu einem bilateralen Gipfel in Madrid erwartet. Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy erhofft sich von den Unterredungen, Klärung darüber, wie Europa dem krisengeschüttelte Spanien beistehen wird. Dass Rajoy, der bereites 100 Milliarden Euro für die Sanierung der angeschlagenen spanischen Banken und Sparkassen von Brüssel zugesagt bekommen hat, in den nächsten Wochen erneut im Hilfe bitten muss, gilt als sicher. Es geht nur noch darum, wie diese aussehen wird.
Die spanischen Konservativen wollen ein hartes Rettungspaket mit einer Kreditlinie der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF), wie es Portugal, Griechenland und Irland akzeptieren mussten, vermeiden. Stattdessen hoffen sie auf eine „weiche Rettung“, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Rettungsfonds direkt Staatsanleihen aufkaufen und damit die Zinsen senken. „Irgendetwas läuft bei der Währungsunion schief, wenn einige Länder negative Zinsen für ihre Staatsanleihen zahlen, während sich andere zu untragbaren Preisen finanzieren müssen“, wirbt Rajoy für diese Idee. Nach einer kleinen Verschnaufpause im August lag der Risikozuschlag für Spaniens Staatsanleihen zum Wochenende erneut bei über 550 Punkten. Dies ist nicht einmal mittelfristig finanzierbar.
Rajoy will für diese „weiche Rettung“ keine erneuten Zugeständnisse machen. Spanien werde Ende 2013 das Defizit au 4,5 Prozent und bis Ende 2014 auf 2,8 Prozent senken. Insgesamt mussten die Spanier bisher Sparpakete in Höhe von 65 Milliarden Euro für die kommenden beiden Jahre über sich ergehen lassen. Zum 1. September wurde außerdem die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent erhöht. „Sie werden keine Regierung finden, die in den ersten acht Monaten so viele Veränderungen vorgenommen hat, wie meine“, wirbt Rajoy in einem Interview, gegenüber mehreren europäischen Tageszeitungen um Vertrauen.
Bundeskanzlerin Merkel steht vor einer schweren Entscheidung. EZB-Präsident Mario Draghi zeigt sich bereit, spanische und italienische Staatsanleihen zu kaufen. Der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann jedoch nicht. Er droht mit Rücktritt, falls Europa direkt Schulden aufkauft. Denn dies würde für Deutschland als Hauptgarant der beiden europäischen Rettungsfonds höhere Zinsen für die eigenen Staatsanleihen bedeuten.
Viel Zeit bleibt Rajoy nicht. Er steht vor ständig neuen Problemen. Den autonomen Regionen – den deutschen Bundesländern vergleichbar – geht das Geld aus. Valencia, Murcia, Katalonien und Aragón haben den von der Madrider Zentralregierung eingerichteten nationalen Rettungsfond um Hilfe gebeten. Dieser soll mit 18 Milliarden Euro ausgerüstet werden. 6 Milliarden sollen aus den zukünftigen Gewinnen der Staatskoterie finanziert werden. Woher der Rest kommen soll, ist unklar.
Und schlimmer noch. Mit den vier Anfragen sind die 18 Milliarden so gut wie erschöpft, obwohl weitere Regionen mit dem Gedanken spielen ebenfalls Hilfe zu beantragen. Bis zum Jahresende müssen Spaniens Regionen Schuldendienste in einer Gesamthöhe von 15,6 Milliarden bedienen und gleichzeitig die Neuverschuldung auf 1,5 Prozent senken. Es geht ans Eingemachte. Denn die Regionen haben die Hoheit über das Bildungs- und Gesundheitswesen. Für das kommende Schuljahr werden erneut Lehrerstellen gestrichen, weiter Personal in den Krankenhäusern abgebaut und öffentliche Betriebe geschlossen. Die Arbeitslosigkeit in Spanien liegt mittlerweile bei 25,1 Prozent. Die Gewerkschaften kündigen erneute Mobilisierungen für diesen Monat an, die noch vor Jahresende in einen Generalstreik münden sollen.

Was bisher geschah: