© 2012 Reiner Wandler

Schneller, höher … korrupter?


Erstmals in der Geschichte der spanischen Monarchie steht seit Samstag ein Mitglied der Königsfamilie vor Gericht. Der Schwiegersohn von Juan Carlos I., Iñaki Urdangarin, wird vom Untersuchungsrichter José Castro auf Mallorca der „Aneignung öffentlicher Gelder“ und der „Korruption“ beschuldigt.

Der Gewinner einer Goldmedaille mit der spanischen Handballnationalmannschaft und Mann der Schwester von Thronfolger Felipe, Cristina von Borbón, soll zusammen mit einem Geschäftspartner in den Jahren 2004 bis 2006 mittels des gemeinnützigen Institutes Nóos und einem ausgeklügelt Netzwerk aus Firmen mehr als 5,8 Millionen von den Autonomieregierungen der Balearischen Inseln und der Region Valencia kassiert und zum Teil in Steuerparadiese verschoben haben. Das Verhör dauerte den ganzen Samstag und ging am Sonntag weiter.

Die Ermittler waren auf das Netzwerk Urdangarin im Laufe von Ermittlungen gegen die beiden Landesregierungen der Balearen und Valencia aufmerksam geworden. Beide wurden in den fraglichen Jahren von der konservativen Partido Popular von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy regiert. Beide zählen zu den Hochburgen der Korruption. Die Geschäftsmethode des Institutes Nóos war einfach. Die gemeinnützige Einrichtung veranstaltete Kongresse zu Sport und Tourismus und arbeitete Studien aus. Dafür kassierte Nóos in nur drei Jahren mindestens 5,8 Millionen Euro. Die konkreten Aufträge wurden zu völlig überhöhten Preisen an andere Unternehmen von Urdangarin, seinem Geschäftspartner Diego Torres und Königstochter Cristina von Borbon weitergegeben. Hunderttausende von Euros flossen für wenige, oft aus dem Internet kopierte DIN-A-4 Seiten, die als Marktstudien ausgegeben wurden. Ein Teil des Geldes floss – so die Ermittlungen – in teure Immobilien andere Beträge ins Steuerparadies Belize und nach London.

Auch Fussballclubs und Privatunternehmen gehörten zu den Kunden von Nóos. Sie gaben an, mitgespielt zu haben, um vor dem Königshaus nicht schlecht dazustehen. Urdangarin verteidigt sich, in dem er alle Schuld auf seinen Geschäftspartner Torres schiebt. Dieser habe die Verträge abgeschlossen, während er selbst nur die Kontakte gepflegt habe.

Bisher gelang es König Juan Carlos seine Tochter Cristina aus dem Verfahren herauszuhalten. Sie habe von den Geschäften ihres Mannes nichts gewusst, und das obwohl sie bei einigen Unternehmen Miteigentümerin war, lautet die Verteidigung. Ob dies vor Gericht dauerhaft Bestand haben wird, müssen die weiteren Untersuchungen zeigen.

Urdangarin, der seit Ermittlungsbeginn im vergangenen Herbst an keinen öffentlichen Auftritten der Königsfamilie mehr teilnimmt, legte im Frühjahr 2006 den Vorsitz des Institutes Nóos nieder und arbeitet seither als leitender Angestellter für das spanische Telekom-Unternehmen Telefonica in Washington. Wie sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte hatte König Juan Carlos in dazu bewegt, als dem Monarchen klar wurde, dass Nóos alles andere als gemeinnützig ist.

„Juan Carlos, wenn Du bescheid wusstest, warum schweigst Du?“ stand auf Plakaten der Demonstranten zu lesen, die Urdangarin, der die Nacht vor dem Verhör zusammen mit seiner Frau im königlichen Palast auf der Insel verbracht hatte, am Gerichtsgebäude in der Inselhauptstadt Palma de Mallorca empfingen. Hunderte skandierten Parolen gegen die Korruption, gegen die Monarchie und für eine Republik Spanien. Ein abgeändertes Filmplakat zeigte König Juan Carlos als der Pate.

Was bisher geschah: