© 2011 Reiner Wandler

#asambleaequo Es grünt so grün …

 

Spanien hat einen Grüne Partei. Nicht etwa, dass es bisher keine gab. Im Parteienregister sind deren 60 eingeschrieben. Doch am Wochenende gründete sich in Rivas-Vaciamadrid, östlich von Madrid, die eine Partei, die endlich eine ökologisch – soziale Politik im Parlament verankern soll. Sie heißt Equo. Der Name steht für Ecología (Ökologie) und Equidad (soziale Gerechtigkeit).

„Wir sind Wähler auf der Suche nach einer Partei“, definiert Juantxo López de Uralde, Equo-Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen am 20. November, die neue Formation. Das Projekt Equo entstand im September 2010. Der 48-jährige Agraringenieur und langjähriger Greenpeace-Chef in Spanien, López de Uralde, scharrte damals zahlreiche namhafte Vertreter der Umweltbewegung, aus den Gewerkschaften und heimatlos gewordene Aktivsten der Linken um sich. Die Equo-Stiftung funktionierte als Think Tank und Katalysator für die neue Partei. „Wir durchleben eine tiefe wirtschaftliche, ökologische, soziale und politische Krise in Spanien und weltweit“, heißt es im Gründungsmanifest. Die bestehende Parteienlandschaft gäbe keine Antwort darauf.

Nur ein Jahr später teilen 8.000 Mitglieder und Sympathisanten diese Einschätzung. Sie stammen aus der Umweltbewegung, aus Schwulen- und Lesbengruppen, Bürgerinitiativen und aus 35 regionalen und lokalen, grünen Listen, die sich Equo angeschlossen haben. 32.000 Anhänger folgen dem Projekt auf Facebook. Nur die beiden großen Parteien, die regierende, sozialistische PSOE und die konservative Partido Popular haben mehr Facebook-Freunde.

Es war eine ruhige Versammlung. Wer ein kreatives Wirrwarr und harte ideologische Auseinandersetzungen erwartete, wie sie einst die deutschen Grünen bei ihrer Gründung 1980 in Karlsruhe erlebten, sah sich enttäuscht. Die Kandidaten waren bereits im Vorfeld des Gründungsparteitages in offenen Urwahlen im Netz gewählt worden. Das Programm wurde in nur sieben Stunden in Arbeitsgruppen und einer Plenarsitzung verabschiedet. Der Konsens war leicht, denn über 4.000 Mitglieder und Sympathisanten hatten es seit Monaten auf einer Partei eigenen sozialen Internetplattform, ausgearbeitet.

Neben dem Ausstieg aus der Atomenergie und dem ökologischen Umbau der spanischen Wirtschaft prägen vor allem die Sozialkürzungen und die Forderungen nach demokratische Rechten, dem Kampf gegen die Korruption und für mehr Bürgerbeteiligung das Programm. „Die Wirtschaftskrise hat die Bürger auf dramatische Art und Weise von der Politik entfernt“, erklärt die Nummer zwei der neuen Partei, Inés Sabanés, die von Spaniens postkommunistischer Vereinigter Linken zu Equo gekommen ist. Equo bezieht sich auf die Bewegung der Empörten, die seit Mai immer wieder die Straßen und Plätze Spaniens füllt, und hofft auf die Stimmen derer, die sich durch die bestehenden Parteien nicht mehr repräsentiert fühlen. Verlässliche Umfragen gibt es keine, denn die spanischen Meinungsforschungsinstitute fragen nur nach den Parteien, die bereits im Parlament sind.

Doch López de Uralde ist optimistisch. Er hofft darauf mit drei bis fünf Abgeordneten ins spanische Parlament einzuziehen. Es ist kein leichtes Unterfangen. Denn das spanische Wahlsystem behindert kleine Formationen und bevorteilt die beiden großen Parteien, PSOE und PP. Auch dies war ein Grund für den Ausbruch der sozialen Proteste unter dem Slogan „Echte Demokratie jetzt!“ vergangenen Mai.

Die erste wichtige Hürde hat Equo bereits genommen. Ein neues Parteiengesetz vom vergangenen Januar macht es neuen Parteien noch schwerer in Parlament einzuziehen. Nur wer binnen 20 Tagen die Unterschriften von 0,1 Prozent des Wahlzensus in jeder Provinz erreicht, kann kandidieren. Nach nur zehn Tagen, hat Equo die insgesamt 35.000 Unterschriften fast zusammen. „Es ist der Moment“, macht eine Video-Grußbotschaft europäischer, grüner Politiker von Dani Cohn Bendit bis hin zu Cem Özdemir den rund 600 Teilnehmern der Gründungsversammlung Mut für den weiteren Weg.

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Meine Meinung
 
Eine Partei neuen Stils

Spaniens politische Landschaft kann sich schon bald für immer ändern. Am Wochenende wurde die neue grüne Partei Equo gegründet. Wenn die Formation an den Urnen am 20. November auf Zuspruch stößt, hätte damit das letzte große Land in der Europäischen Union eine Partei, die ausgehend von der politischen Ökologie, die aktuellen wirtschaftliche, soziale und ökologische Krise angehen will.

Die Chancen stehen gut. Die regierenden Sozialisten haben mit ihrer Politik der Laufzeitverlängerung für AKWs, der Kürzungen im Bereich der erneuerbaren Energien, sowie der völlig fehlenden Sensibilität in Sachen Naturschutz und vor allem mit der unsozialen Krisenbewältigung ein weites Feld gelassen. Die seit Monaten anhaltenden Proteste zeugen von der tiefen politischen Krise in der Spaniens Parteiensystem steckt.

Zwar wirbt auch die Vereinigte Linke (IU) um die Stimmen der Unzufriedenen. Doch seit Jahren ist IU für viele Wähler links der Sozialisten nur noch das kleinere Übel. Andere bleiben ganz zu Hause. Denn längst wird IU, die in den 1980ern entstand, dem Namen Vereinigte Linke nicht mehr gerecht. Die orthodoxe Kommunistische Partei hat das Bündnis hegemonisiert, unliebsame Stimmen hinausgedrängt. Viele finden sich jetzt bei Equo wieder. Sie haben dank der neuen Partei wieder Hoffnung in die Politik gewonnen.

Equo ist die erste Partei in Spanien, die sich anschickt, den neuen Stil der Bewegung der Empörten – die im Frühsommer wochenlang Plätze in ganz Spanien besetzte – aufzugreifen. Equo redet nicht nur von mehr Transparenz und von Bürgerbeteiligung, die Partei setzt dies in ihren eigenen Strukturen um. Die Kandidatenlisten wurden in offenen Urwahlen im Internet gewählt, das Programm lange vor der Gründungsversammlung online unter Beteiligung tausender Mitglieder und Sympathisanten ausgearbeitet. Auf der Versammlung vom Wochenende war der Wunsch nach flachen Hierarchien und nach Konsens – wie sie im Camp an der Puerta del Sol in Madrid entstanden ist – zu spüren.

„Sie vertreten uns nicht“, lautete das am meisten gerufene Motto bei den Protesten der Empörten. Equo schickt sich an, die Lücke zwischen sozialen Bewegungen und der offiziellen Politik zu füllen. Nicht als Vertretung, sondern als horizontales Netz, das Beteiligung und Debatte fördert und weiterträgt.

Was bisher geschah: