© 2011 Reiner Wandler

So nah und doch so fern

Der spanische Geschichtswissenschaftler Santos Juliá bringt es auf den Punkt: „Wenn König Alfonso XIII. von den Toten auferstehen könnte, würde er seinen Enkel sicher fragen: Mensch Junge, was hast du gemacht um dieses Privileg zu genießen, dass sie dich anschauen aber nicht anfassen? Und das in einem Land wie Spanien.“ Alfonso XIII. musste 1931 abdanken und der Republik den Platz räumen. Sein Enkel, der aktuelle König Juan Carlos I., führt die Liste der 100 berühmtesten Spanier an – mit Abstand.

In einem Land, in dem weder die Mitte, noch die Linke und selbst die extreme Rechte alles andere als monarchistisch ist, hat das Königshaus einen festen Platz. Die Menschen sind nicht königstreu sondern „Juancarlistas“ – Anhänger ihres Staatschefs – nicht mehr aber auch nicht weniger. Denn der König hat nach dem Tod von Diktator Francisco Franco den Übergang zur Demokratie ermöglicht. Als am 23. Februar 1981 Teile des Armee und der Guardia Civil einen Putsch wagten, stellte sich Juan Carlos hinter die Verfassung und wies die Putschisten in seiner Rolle als oberster Befehlshaber der Streitkräfte an, in die Kasernen zurückzukehren. Es gelang.

„Ein Königshaus, wie das britische, hätte hier keinen Erfolg“, ist gängige Meinung in Spanien. Prunk, Glamour, die Spanier mögen dies bei Stars und Sternchen, aber nicht bei ihrem Monarchen. An ihm lieben sie die Normalität. Ob Fußball, Tennis, Handball, er fiebert auf der Ehrentribüne mit. Als er zum ersten Mal Enkel wurde, sahen die Spanier im Fernsehen einen alternden Mann, der seiner Begeisterung freien Lauf ließ. Egal wo er hinkommt, er redet mit den Menschen und hat immer einen Scherz für die Journalisten parat.

Ein volksnaher Monarch eben, der redet, wie seine Untertanen. „Warum hältst du nicht die Klappe“, wies er Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez auf einem ibero-amerikanischen Gipfel in die Schranken, als dieser über den ehemaligen Regierungschef José María Aznar herzog. Der Satz war monatelang beliebter Klingelton auf den Handys der Untertanen.

Die Familie von Juan Carlos gibt sich normal. Die älteste Tochter ließ sich scheiden, die jüngere ist mit einem ehemaligen Spieler der spanische Handball-Nationalmannschaft verheiratet. Und Thronfolger Prinz Felipe ehelichte mit Letizia Ortiz eine Nachrichtensprecherin des staatlichen TVE, die zu allem Überfluss schon einmal geschieden war.

„König ohne Hof“ wird Juan Carlos immer wieder genannt. Er umgibt sich kaum mit Adligen. Seine Freunde und Vertrauten stammen aus der Welt der Wirtschaft. Statt exzentrische Gestalten sind es die Großen der spanischen Industrie und Finanz. Es lohnt. Sie haben ihm sein teuerstes Spielzeug, die Yacht auf Mallorca, geschenkt und nehmen ihn bei Geschäften mit an Bord. Als Juan Carlos in den 60er Jahren nach Spanien kam, besaß er so gut wie kein Vermögen. Heute hat er laut Forbes 1,7 Milliarden Euro angehäuft.

Genau hier beginnt der zweite Teil der Geschichte: Angefasst – soll heißen kritisiert – wird nicht. So mancher der befreundeten Unternehmer war in dunkle, korrupte Geschäfte verwickelt. Der Name von König Juan Carlos fiel bei den Gerichtsverfahren dennoch nie. Auch die Presse hält sich zurück.

Außerdem genießt Juan Carlos ein Privileg, wie es nicht einmal die britische Queen kennt. Jährlich überweißt die Staatskasse dem Königshaus knapp 9 Millionen Euro zur freien Verfügung. Trotz des wiederholten Anträge linker Parteien im Parlament, der Haushaltsposten möge bitte, wie in anderen europäischen Monarchien üblich, aufgeschlüsselt werden, verhindern dies die beiden großen Parteien, die PSOE des regierenden Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero und die konservative Partido Popular. Palast, Auslandsreisen und Sicherheitspersonal werden übrigens extra vergütet.

König Juan Carlos wirkt alt und müde. Viele fragen sich, warum er die Staatsgeschäfte nicht an seinen Sohn Felipe übergibt. Die Antwort ist einfach: Der „Juancarlismo“ der Untertanen ist nicht vererbbar. Die Menschen auf der Straße beobachten Kronprinz Felipe genau und kritisieren ihn viel und gern. Denn nur wenige können sich ohne Wenn und Aber mit dem Gedanken anfreunden, das der smarte, aber auch etwas arrogant wirkende, junge Mann schon bald ihr Staatschef sein soll. Die Ausgaben für den Prinzen gefallen ebenfalls nicht. So wurde im gleichen Naturpark in dem die Königsfamilie wohnt, eine millionenteure Villa für den Prinzen errichtet. „Ich möchte ein Häuschen wie der Prinz“, lautet eine der Parolen der Empörten, die gegen Arbeitslosigkeit und Krisenpolitik demonstrieren.

„Ich möchte keine Untertan sein, sondern Bürgerin“, richtete sich eine junge Frau mit der Bitte nach einer Volksabstimmung über Republik oder Monarchie, an den Prinzen, als dieser Navarra besuchte. Anders als sein im Umgang mit der Bevölkerung geschickte Vater, wirkte Felipe völlig überfordert. Das Video verbreitete sich auf youtube in Windeseile.

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