Mit der tunesischen Direktion für Staatssicherheit wird eine der gefürchtetsten Geheimdienste Nordafrikas aufgelöst. Unter dem am 14. Januar gestürzten Zine El Abidine Ben Ali reichte der leiseste Verdacht auf oppositionelle Aktivitäten, um in den Folterkellern des Innenministeriums auf der Avenue Habib Bourguiba in der Hauptstadt Tunis und später hinter Gittern zu verschwinden. Wer zu oft in die Moschee ging, oder im Internetcafe versuchte oppositionelle Webs zu öffnen, bekam es ebenfalls mit der politischen Polizei zu tun. Internationale Menschenrechtsorganisationen zählten in den Jahren Ben Alis Tausende von Menschen, die nur wegen Gesinnungsdelikten verfolgt wurden.
Auch ausländische Journalisten wurden von der Staatssicherheit auf Schritt und Tritt verfolgt. Wer sich mit ihnen traf, durfte selbst damit rechnen, danach auf offener Straße von Unbekannten zusammengeschlagen zu werden. Bis zur Flucht Ben Alis nach Saudi-Arabien nahm die Staatssicherheit und die politische Polizei Blogger, kritische Journalisten und Aktivisten der Jugendproteste fest. Einige von ihnen berichten von Folter, um die Zugangsdaten zu ihrer mail oder zu ihrem Facebook-Account aus ihnen herauszupressen.
Die tunesischen Menschenrechtsanwälte und Bürgerrechtorganisationen loben die Entscheidungen, mahnen aber gleichzeitig eine tief gehende Polizeireform an. Nur so sei der Polizeistaat Tunesien in einen demokratischen Staat zu überführen. Zwischen 4.000 und 9.000 Beamte sollen der Staatssicherheit und der politischen Polizei angehört haben.
Außerdem bildete der Übergangsministerpräsident Caid Essebsi am Montag die Regierung erneut um. Es ist die dritte Mal seit dem Sturz Ben Alis. Das neue Kabinett setzt sich nur noch aus Technokraten zusammen. Es sind keine Politiker des alten Regimes mehr vertreten. Zwei herausragende Oppositionspolitiker sind ebenfalls ausgeschieden. Sie wollen sich damit die Möglichkeit einer Kandidatur zur verfassungsgebenden Versammlung und gegebenenfalls zum Präsidenten offen halten. Wer in der Übergangsregierung sitzt, wird dieses Recht nicht haben.
Die neue Exekutive sei eine reine „Verwaltungsregierung“, sagte Essebsi auf einer Pressekonferenz. Sie habe einzig und alleine die Aufgabe das Land zu den Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung am 24. Juli zu führen. „Ich hoffe, dass wir damit auf der Höhe der Teilnehmer des Sit-ins auf der Kasbah sind“, erklärte Essebsi. Tausende von Jugendlichen aus dem ganzen Land hatten die Kasbah, den Platz vor dem Regierungssitz, zweimal für mehrere Wochen besetzt, um eine saubere Regierung und eine neue Verfassung zu fordern. Am Wochenende zogen sie ab, nachdem Essebsi Wahlen angekündigt, sowie die alte Verfassung aus dem Jahr 1959 außer Kraft gesetzt und das Parlament Ben Alis aufgelöst hatte.