© 2010 Reiner Wandler

Richter auf der Anklagebank

Spaniens Starrichter Baltasar Garzón muss auf die Anklagebank. Das beschloss der Oberste Gerichtshof in Madrid. Es gebe genug Anzeichen, um Garzón der Rechtsbeugung anzuklagen. Er habe die Suche und Öffnung von Massengräbern der Opfer der Truppen von Diktator General Francisco Franco angeordnet, obwohl „er sich im klaren war, dass er dafür nicht zuständig ist“. Ein Richter sei für die „korrekte Anwendung des Rechts“ verantwortlich. Die Vergangenheitsbewältigung gehört für den Obersten Gerichtshof nicht dazu. Denn Garzón habe „demokratisch verabschiedete Gesetze, wie das Amnestiegesetz“ übergangenen.

Richter Garzón bestreitet, dass das Amnestiegesetz von 1977 auf das Verschwindenlassen von politischen Gegnern angewandt werden kann. „Ein Amnestiegesetz, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit auszuradieren versucht, ist nichtig“, vertritt der Ermittler am höchsten, spanischen Strafgericht, der Audiencia Nacional, im Enklang mit internationalen Gerichten. Deshalb akzeptierte der durch den Fall des ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet international bekannte Richter Ende 2006 mehrere Anzeigen von Angehörigen von Verschwunden aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) und den Nachkriegsjahren. Der Richter kam zum Schluss, das mindestens 112.000 Opfer zu beklagen seine. Da er nicht aus allen Regionen brauchbare Informationen erhalten hat, dürfte die Dunkelziffer um ein vielfaches höher sein. Garzón ermittelte gegen Diktator Franco, seine Generäle und die faschistischen Führer wegen des Staatsstreiches von 1936. Zum anderen ordnet er die Suche der Opfer „von gewaltsamen Verschwinden“ an, bis die Staatsanwaltschaft ihn schließlich stoppte.

Garzón hat jetzt zwei Wochen Zeit, um Widerspruch gegen die Anklage einzulegen. Doch dies wird wenig nützen. Denn der für die Anklage zuständige Richter am Obersten Gerichtshof, Luciano Varela, hat bisher alle Widersprüche abgelehnt. Wann das Verhandlung stattfinden wird, ist noch nicht geklärt. Aber Garzón könnte bereits in zwei Wochen vom Dienst suspendiert werden. Sollte er der Rechtsbeugung für schuldig befunden werden, drohen ihm 20 Jahre Berufsverbot. Das wäre das endgültige aus für den 54 -jährigen Richter und für das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit in Spanien.

Die Anzeige, die jetzt zur Anklage gegen Garzón führte, stammt ausgerechnet von drei rechtsradikalen Vereinigungen, darunter die faschistische Partei Falange deren Mitglieder während des Bürgerkrieges und zu Beginn der Franco-Diktatur in groß angelegten Säuberungsaktionen Zehntausende Anhänger der gestürzten Republik erschossen und verscharrten.

„Wir müssen mit Ansehen, wie die Täter einen Richter, der ihre Verbrechen untersuchen wollte, auf die Anklagebank bringen“, erklärt Emilio Silva, Vorsitzender der Vereinigung zur Wiedererlangung des Historischen Gedenkens. „Die Angehörigen von 112.000 Opfern habe keine Chance auf Gerechtigkeit“, fügt er hinzu.

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