© 2010 Reiner Wandler

Bauwut gegen Artenschutz

Was tun, wenn der Artenschutz die Bauwut der Tourismusindustrie stört? Die konservative Regionalregierung der Kanarischen Inseln hat eine einfache Antwort gefunden. Sie will per Gesetz und gegen die Opposition von Wissenschaftlern und Umweltschützern den Artenschutzkatalog zusammenstreichen. 50 Prozent der bisher geschützten Tiere und Pflanzen sollen ganz einfach von der Liste genommen werden. Bei weiteren 30 Prozent wird der Schutz herabgesetzt. Dadurch fällt für 226 Arten der Schutz völlig weg, und weitere 131 Arten werden nur noch dann besonders behandelt, wenn sie innerhalb von Naturschutzgebieten vorkommen. Das ganze findet ausgerechnet im von den Vereinten Nationen ausgerufenen Jahr der Biodiversität statt.

„Es ist schon paradox, dass während sich die ganze Welt über den Verlust der Biodiversität Sorgen macht, dem kanarischen Parlament ein Gesetzesentwurf vorliegt, der den Artenschutz aufhebt“, beschwert sich die Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción. Auf den Kanaren gibt es rund 4.000 endemische Arten.

Um das Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden, hat die Regierung aus den Regionalisten der Coalición Canaria und den Konservaitven der Partido Popular die Parlamentsferien verkürzt. „Die Eile, die sie an den Tag legen, hat nichts mit den Interessen der Bürger zu tun“, beschwert sich ein Sprecher der sozialistischen Opposition. Es gehe vielmehr um die Tourismus- und Bauwirtschaft.

Am härtesten wird es wohl geschützte Küstenabschnitte treffen. So wurde bisher unter Berufung auf den Naturschutz vom Obersten Kanarischen Gericht Bauprojekte, wie ein neuer Hafen im Süden von Teneriffa, gestoppt. Mit dem künftigen Artenschutzkatalog könnte dieser wohl gebaut werden.

Besonders betroffen von der Bauwut ist derzeit die grünste Kanareninsel, La Palma. Hier entstehen zwei Asphaltfabriken. Die Genehmigung wurde erteilt, obwohl sie nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Kilometern zum nächsten Dorf einhalten. „Insgesamt sind davon 7.000 bis 8.000 Menschen betroffen“, beschwert sich die Bürgerinitiative „La Palma gegen Asphaltfabriken“, die am zweiten Weihnachtsfeiertag Hunderte von Anwohnern auf die Straße mobilisierte.

Die Gegner der Fabriken befürchten, dass der stetige Wind auf La Palma die Abgase weit verbreiten wird. Dies sei eine Gefahr für Landwirtschaft und Grundwasser. Der Bau der Fabriken kommt nicht von ungefähr. Die Inselregierung plant eine Autobahn auf der dünn besiedelten Vulkaninsel, die 2002 komplett zum UN-Biospährenreservat erklärt wurde.

Was bisher geschah: