© 2009 Reiner Wandler

Fangquote für sin papeles

James Aweya hatte sich seine Reise nach Spanien anders vorgestellt. Am 11. Februar wartete der aus Ghana stammende afrokanadische Ingenieur nach einem Vorstellungsgespräch an einem Forschungsinstitut in Madrid im Flughafen auf seine Maschine nach Ottawa: Ein Grenzbeamter nähert sich, überwältigt ihn und legt dem Doktor der Informatik und Elektrotechnik, der 28 Patente sein eigen nennt, Handschellen an. Eine Stunde lang wird er gefesselt festgehalten.

Am Ende wird der 47-Jährige freigelassen – und, ohne es zu wollen, zur Symbolfigur für die seit Wochen anhaltende Jagd auf Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung. Aweya will nicht nach Spanien zurück. Selbst dann nicht, wenn er den Job bekommen sollte.

Die Polizei verhafte Immigranten „vor Schulen und an U-Bahn- Ausgängen, vor Telefonläden, in Parks und auf Plätzen“, beschwert sich die Spanische Flüchtlingshilfskommission (CEAR). Die Polizei patrouilliert – und kontrolliert jeden, der „exotisch“ aussieht. Immigrantenorganisationen sprechen von einer „willkürlichen Hetzjagd auf ’sin papeles'“, also auf Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung. „Das ist in einem Rechtsstaat nicht zu tolerieren“, heißt es in einem Kommuniqué der Vereinigung Marokkanischer Arbeiter in Spanien.

Spanien erlebte in den letzten Jahren eine Zuwanderung wie kein zweites EU-Land. Dank des Baubooms gab es Arbeit. Im Jahr 2000 lebte knapp eine Million Ausländer in Spanien, heute sind es 5,3 Millionen. Hinzu kommen mindestens eine halbe Million „sin papeles“. Jetzt, wo die Arbeitslosigkeit steige, wolle die Regierung die Ausländer los werden, beschweren sich die Immigrantenverbände.

Einwanderer aus Nordafrika trifft es besonders hart. So sickerten Dienstanordnungen der spanischen Polizei durch, in denen Stadtteilkommissariate bestimmte „Fangquoten“ vorgegeben bekamen. In den Anordnungen ist angeblich sogar festgelegt, woher die „Illegalen“ möglichst stammen sollen. Die Rangliste macht sich an den Abschiebekosten fest: Da es nach Marokko per Bus und Schiff geht, sind Nordafrikaner besonders beliebt. Bolivianer sollen eher laufengelassen werden: Es gibt keine günstige Flüge nach La Paz.

Die marokkanische Botschaft beschwerte sich deshalb offiziell bei der Regierung. „Mich wundert, dass Marokkaner Hauptziel der Kontrollen sind. Wenn es ein Land gibt, das mit Spanien in Sachen Migration zusammenarbeitet, ist es Marokko“, erklärt der marokkanische Botschafter in Madrid, Omar Azziman, in der spanischen Presse. „Ist dies die Art, uns das zu danken?“

Es handle sich „um ein Missverständnis“, versuchte der sozialistische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba vor dem Parlament die Wogen zu glätten: „Jemand hat schlecht gearbeitet, aber nicht der Minister, nicht der Staatssekretär und auch nicht der Polizeidirektor“, wollte er die Verantwortung nach unten abschieben: Er habe keine „Jagd“ angeordnet, nur die „Bekämpfung der Kriminalität“.

Deshalb habe er die umstrittenen Dienstvorschriften ausgesetzt. „Der Minister lügt“, zitiert die Tageszeitung El Mundo einen Polizisten aus Madrid, „wenn wir keine Ausländer verhaften, dürfen wir unsere Überstunden nicht abfeiern.“

Was bisher geschah: