© 2008 Reiner Wandler

Online am Arbeitsplatz


Spaniens neue Verteidigungsministerin Carme Chacón schafft sich Feinde. Nicht in Afghanistan und auch nicht im Libanon, wo ihre Truppen stehen, sondern in den heimischen Kasernen selbst. Der Grund dafür ist das Internet. Kaum vereidigt, verbot die junge Ministerin den Soldaten das Surfen auf bestimmten Seiten am Arbeitsplatz. Schluss mit Titten, Sport und Autos. Eine Sperrsoftware verhindert, dass Spaniens Landesverteidiger die Seiten der großen Sexpostillen, der spanischen Sportpresse, sowie von eBay und KFZ-Gebrauchtmärkten besuchen. Zu bestimmten Uhrzeiten sei es unmöglich gewesen, vernünftig online zu arbeiten, lautet die Begründung für diese unpopuläre Maßnahme. Der private Datenverkehr sei zuweilen im Verteidigungsministerium und den großen Kasernen so stark, dass das Netz kollabiere.

Die Spanier surfen gerne am Arbeitsplatz. Knapp 54 Prozent nutzt nach eigenen Angaben regelmäßig das Internet. Doch nur 42 Prozent haben einen Anschluss zu Hause. Damit liegen die Spanier 12 Punkte hinter dem EU-Schnitt und sogar 29 Prozent hinter Deutschland. Und wer einen Internetanschluss in den eigenen vier Wänden hat, scheut oft die Kosten für eine Flatrate. Wenige Mbs müssen reichen. Der Rest geht schließlich im Büro.

Ob Chat, email oder das Herunterladen von Musik und Filmen, so mancher Angestellte und Beamte sitzt stundenlang in eigener Sache vor dem Bildschirm. Drei Viertel derer, die email am Arbeitsplatz haben, nutzen ihre Dienstadresse für private Zwecke. 23 Prozent sucht regelmäßig nach den neuesten Nachrichten, 11 Prozent googeln nach Produktinformationen und 6,5 Prozent gönnen sich schon mal ein Päuschen auf einschlägigen Seiten. Immer wieder kommt es zu Prozessen vor dem Arbeitsgericht. Wurde das private Surfen am Arbeitsplatz vom Chef ausdrücklich verboten, reicht eine Verfehlung für eine Kündigung, so die Rechtssprechung. Die Vorgesetzten dürfen gar die email ihrer Angestellten öffnen, sofern ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass es sich um ein Arbeitsmittel handelt und nicht um eine persönliche Adresse.

Es nutzt alles nichts. Durchschnittlich verbringen Spaniens Beamten und Angestellten wöchentlich eine halbe Stunde für Privates am Firmencomputer. Dadurch geht nicht nur wertvolle Arbeitszeit verloren, den Betrieben könnn weitaus schwerere Schäden entstehen. Das zeigt der Fall eines Madrider Krankenhauses. Dort erweiterte ein Mitarbeiter während der Arbeitszeit seine Musik- und Filmsammlung. Dazu nutzte er eines der beliebten P2P-Programme. Allerdings stellte er sich so dämlich an, dass der gesamte Computerinhalt den Tauschpartnern offen stand. Die Krankenakten von 11.000 Patienten gelangten so ins Netz. Darunter die von 4.000 Frauen, die in der Privatklinik abgetrieben hatten. Das ganze flog auf, als eine Spezialeinheit der spanischen Polizei beim Durchkämmen des Netzes nach illegalen Inhalten auf den Klinikcomputer gelangte. Die spanische Datenschutzbehörde verhängte gegen das Hospital eine Geldstrafe von 150.000 Euro. Dem für das Datenloch verantwortlichen Mitarbeiter droht die Entlassung und ein Gerichtsverfahren – sobald die Klinikleitung herausfindet, wer es war.

Während Unternehmer und Gewerkschaft sich überlegen, wie der Umgang mit den neuen Arbeitsmitteln vernünftig geregelt werden kann, springt eine Uniprofessorin für die Büro-Internauten in die Bresche. „Die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz wird als negativ empfunden. Es gilt als ineffizient und soll die Produktivität senken“, heißt es in ihrem Leitfaden für Menschenführung im Betrieb. Genau das Gegenteil sei der Fall. Das Surfen am Arbeitsplatz würde zu einer „besseren Einteilung der Arbeitszeit beitragen, den Stress verringern, Fähigkeiten antrainieren und für ein Gleichgewicht zwischen Privatleben und Arbeitswelt sorgen.“

Wen das mal nicht überzeugend klingt. Ich mach jetzt auf jeden Fall Schluss und verabschiede mich ins Netz.

Was bisher geschah: