© 2008 Reiner Wandler

Auf dem Rad rund um Madrid


Treffpunkt, 9 Uhr morgens, Zoo, Madrid. Heute geht es nicht in die Berge. Statt wie üblich bei langen Wanderungen dem Stadtleben zu entweichen, wollen wir heute genau das Gegenteil machen. Wir wollen die spanische Hauptstadt neu entdecken, indem wir sie mit dem Fahrrad auf dem im Mai 2007 fertiggestellten Anillo Verde Ciclista – dem Grünen Fahrradring – umfahren. Vor uns liegen 64 Kilometer Radweg.

Die Route führt durch die äußeren Stadtteile Madrids, ihren Parks, und Sportanlagen. Es ist eine Reise durch die soziale Unterschiede der Hauptstadt. Überall gehen die Einwohner ihren Samstagsbeschäftigungen nach. Hier wird ein Auto gewaschen, dort schleppt jemand Einkaufstüten nach Hause. Die Parks füllen sich. Auf den Fußballfeldern spielen irgendwelche Jugendvereine ihre Regionalliga aus. Die Szenen gleichen sich und sind bei genauerem Hinschauen doch verschieden. Im Süden verbergen die rote Backsteinfassaden kleine, enge Wohnungen. Einfamilienhäuser gibt es keine. Spanische Rentner und Immigranten bestimmen das Straßenbild. Im Norden sind die Wohnungen groß und hell. Zwischen den Wohnblocks wurden Schwimmbäder und Spielplätze angelegt. Hier lebt das betuchtere Madrid. Wenn es überhaupt Ausländer gibt, kommen sie aus der EU. Wer noch mehr Geld hat lebt in einer Siedlung mit Einfamilienhäusern. Im Süden hat das geliebte Auto schon ein paar Jahre hinter sich. Im Norden sind PKWs neuesten Datum. Viele tragen stolz einen Stern oder vier Ringe auf der Haube.
Wir machen uns auf den Weg. Die lange Route, die vor uns liegt, führt nach Süden, und dann im Osten der Stadt Richtung Norden. Danach geht es auf der Westseite zum Ausgangspunkt zurück. Zuerst strampeln wir quer durch die Casa de Campo, Madrids Stadtwald, und erreichen so die südlichen Stadtteile. Das leichte Gefälle ist genau das Richtige um sich warm zu strampeln. Wir durchqueren mehrere Parks und geniesen den Ausblick. Gegen Norden erhebt sich die Stadt. Die höchsten Gebäude im Zentrum und die Bürotürme im Norden bilden die Skyline Madrids. Dahinter liegt die Sierra de Guadarrama.


Bald schon ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Die Madrider Geografie zeigt ihr wahres Gesicht. Wir sind mit 535 Meter über dem Meer am tiefsten Punkt der Tour angelangt. Die spanische Hauptstadt liegt am Rio Manzanares, den wir hier kreuzen. Der Fluss führt seit Millionen Jahren das Schmelzwasser aus der Sierra Richtung Tajo, der dann bei Lissabon in den Atlantik mündet. Nach und nach hat er sich tief in die kastillische Hochebene eingegraben. Kleiner Zuflüsse taten das ihre. Das Ergebnis ist eine zerfurchte, hügelige Landschaft. Was vom Auto aus oft eben erscheint, ist es in Wirklichkeit nicht. Lange Anstiege zehren an der Kondition. Dann geht es wieder bergab. Alles war umsonst. Ein ewiges Bein ermüdendes Spiel.

Dennoch holen jedes Wochenende ganze Familien ihre Fahrräder hervor und begeben sich auf den Anillo Verde Ciclista. Lange haben die Madrilenen auf einen guten Radweg gewartet. Obwohl der Plan für einen Rundweg schon Anfang der 80er Jahren geboren wurde, verschwand er in der Schublade, als der Bürgermeister wechselte. Der neue Stadtvater setzte ganz aufs Auto. „Fahrräder sind ein Sportgerät und kein Fortbewegungsmittel“, gab er gerne zum Besten. Erst nach einem erneuten Wechsel im Bürgermeisteramt wurde der Plan wieder hervorgekramt und in nur vier Jahren fertiggestellt. Weitere 450 Kilometer Radwege sollen in den nächsten Jahren folgen. Sie sollen ein breites Netz über die ganze Stadt spannen.

Der Anillo Verde Ciclista ist gut ausgebaut und vom Autoverkehr getrennt. Wo immer es geht, vermeidet er die Nähe zu den Straßen. Eigens errichtete Brücken überqueren die Autobahnen aus allen Teilen Spaniens, die in Madrid sternförmig zusammenlaufen. Alle vier bis fünf Kilometer lädt ein Rastplatz – meist mit Trinkbrunnen versehen – zum Ausruhen.

Langsam geht es gegen Norden. Vorbei am neuen Madrider Stadion La Peineta, dass – so die Pläne der Stadtverwaltung – olympisch werden soll, gelangen wir zum höchsten Punkt unser Rundfahrt. Kurz nach dem Kilometer 0 des Radweges direkt an der A 1, die Madrid via Burgos und Baskenland mit Frankreich verbindet, erreichen wir 720 Meter über dem Meer. Es ist geschafft. Lange Abfahrten bringen uns zurück zum Manzanares. An seinem Ufer fahren wir durch den Schatten spendenden Stadtwald und gelangen bald wieder zu unserem Ausgangspunkt. Wir fahren mit der U-Bahn nach Hause. Selbst wenn es innerstädtische Radwege gäbe, hätte keiner mehr die Beine, um weitere fünf Kilometer in die Innenstadt hinaufzustrampeln.

Viel Spaß!

Der Anillo Verde Ciclista ist gut ausgeschildert. Eine Karte gibt es bei der Touristeninformation auf der Plaza Mayor oder im Internet.

Unweit der Touristeninformation, in der Calle Mayor 78, befindet sich ein Fahrradverleih.

Wer will, kann von dort in den Stadtwald Casa de Campo strampeln oder – allerdings nur am Wochenende – das Fahrrad mit in die U-Bahn nehmen. Von Opera geht es nach Príncipe Pío und von dort nach Lago. Der Anillo Verde Ciclista kommt direkt an der U-Bahnstation vorbei.

Was bisher geschah: