© 2007 Reiner Wandler

Wo sind unsere Söhne?

Die Zahlen sprechen für sich: 150.000 Tote und 6.146 Verschwundene lauten die offiziellen Angaben über die Opfer der blutigen Krise, die Algerien in den 90er Jahren durchlebte. 200.000 Tote und bis zu 20.000 Verschwundene, sagen unabhängige Quellen.

Arbeiter, Ärzte, Anwälte, Parlamentsabgeordnete, Jugendliche – ja selbst Kinder sind unter den bis zu 20.000 Menschen, die nach Angaben nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen in Algerien verschwunden sind. Oft reichte die Aussage von Inhaftierten, die unter Folter jeden beschuldigten, dessen Name ihnen in den Sinn kamen. Die Armee holte Verdächtigen aus Wohnungen, vom Arbeitsplatz oder aus der Moschee. In manchen Familien verschwanden nach und nach alle Söhne und zum Schluss noch der Vater. Es ging darum, ein Klima der Angst zu erzeugen. Es waren die Jahre nach dem Abbruch der ersten freien Wahlen 1992, bei denen die Islamische Heilsfront (FIS) gewann. Es folgten der blutige Kampf zwischen islamistischem Untergrund und dem Regime.

„SOS Disparus“ fordert seit Jahren eine internationale Untersuchungskommission. Doch die algerische Regierung setzte stattdessen einen nationalen Untersuchungsausschuss ein. 6.146 Menschen seien in den Jahren von 1992 bis 1998 in Händen „der Agenten des Staates“ verschwunden, heißt es im Abschlussbericht. Der Staat sei verantwortlich, aber nicht schuldig. Die Regierung bot eine Entschädigung an. Viele Angehörige lehnten ab. Sie wollen Gerechtigkeit und vor allem wollen sie wissen wo ihre Verschwunden sind.

Was bisher geschah: